Fred und der gelbe Porsche Targa

 

Fred arbeitet seit vielen Jahren als Beamter im Bürgerbüro. Heute beginnt Fred unsere Stunde mit einer interessanten Beobachtung: „Mein Nachbar hat einen Porsche Targa in Gelb. Ein tolles Auto. Der Traum meiner Kindheit. Wie oft saß ich hinter der Gardine und habe voller Neid auf das Auto geschaut. Ja, ich war neidisch, so neidisch, dass es wehgetan hat. Ein schreckliches, spitzes Stechen.“ Fred fasst sich an die Herzgegend.

 

„Letzte Woche erzählte mir der Nachbar, dass er sein Auto verkaufen will. Er hat mir seinen Preis genannt, und Sie glauben es nicht, aber ich könnte das Auto locker bezahlen. Ich, Fred, kaufe mir meinen Kindheitstraum!“ Fred guckt mich mit großen Augen an und fährt fort: „Und wissen Sie was, ich will das Auto gar nicht. Ich will gar kein Porschefahrer sein. Mit einem Mal ist der große Traum in sich zusammengefallen. Ich verstehe mich selbst nicht mehr. Bin ich jahrelang einem falschen Ziel hinterhergerannt?“

 

Warum war Fred neidisch auf ein Auto, das er gar nicht will?

 

Jahrelang dachte Fred, er wollte unbedingt einen Porsche haben wie sein Nachbar. Plötzlich wird ihm der Wagen angeboten und der Preis ist in einer durchaus akzeptablen Höhe. Mit diesem Angebot öffnet sich für Fred eine neue Tür. Der Traum rückt näher und jetzt passiert etwas wirklich Spannendes: Plötzlich entsteht eine echte und realistische Entscheidungssituation. Ein makelloses, perfektes, schöngefärbtes, aber distanziertes Hochglanzbild trifft nun die echte Realität.

 

Diese Realitätsnähe bewirkt einen radikalen Perspektivwechsel und stößt einen Prozess an, der bislang nicht stattgefunden hat. Die innere Reflektion beginnt! Kennen wir diesen Moment nicht alle? Dieser Moment ist oft spannend, komisch, ernüchternd. Er kann verstörend sein und doch ist er zutiefst nachvollziehbar, natürlich und menschlich.

 

Was ist der nächste therapeutische Schritt?

 

Fred prüft erneut. Diesmal prüft er mit dem Herzen und mit dem Verstand. Will ich wirklich Porschefahrer sein? Was kostet eine Tankfüllung? Passt eigentlich die ganze Familie in den Wagen? Wie fährt sich der Wagen im Winter?

 

Spüren Sie selber manchmal ein Neidgefühl? Wechseln Sie spaßeshalber doch mal die Perspektive und stellen Sie sich vor, was alles auf Sie zukommt, wenn sich das Thema wirklich realisiert. Welche Folgekosten, welche Verantwortung, welche Abhängigkeiten, welche Risiken, welche Erschwernisse sind damit verbunden? Gehen Sie ganz nah ran und beleuchten Sie alle Aspekte, auch die Schattenseiten. Es lohnt sich!

 


 

Als Psychologin unterliege ich der absoluten Schweigepflicht. Alle Namen, Rahmenhandlungen und biographischen Details habe ich mir ausgedacht. Die Person, die ich hier beschreibe, gibt es nicht. Lediglich der psychologische Kerngedanke in jedem Beitrag ist real. Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder verstorbenen Personen wäre rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

Der nächste Beitrag erscheint am 12. September 2018.

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Peter (Mittwoch, 22 August 2018 22:20)

    Psychologie ist wirklich sehr interessant. Den Perspektivwechsel empfehle ich jedem!

  • #2

    Jan (Samstag, 15 September 2018 20:04)

    Ein toller Beitrag - er zeigt, dass sich genaueres Hinschauen und auch das Durchspielen des "Was-wäre-wenn-es-Wirklichkeit-würde" sich lohnen!